fremde Texte

Nico Neumann

Nicolaus Neumann
Eröffnungsrede zur Vernissage der Ausstellung KREUZ + QUER
Bilder, Skulpturen und Zeichnungen von Werner Götz
In der Stiftskirche St. Nikolaus in Beuster in der Altmark
Juni 2006

Ich kenne Werner Götz schon ziemlich lange, aber wohl doch nicht lange genug und frage mich, ob man ihn tatsächlich kennen kann. Schon das vollständige Bilanzieren seiner diversen Lebensstationen ist eine Aufgabe.
Der akademisch ausgebildete Künstler und studierte Kunstpädagoge ist Musiker – Jazzer. Cd´s von der band »moderne nordeuropäische dorfmusik”, in der er lange spielte, sind im Handel - Handwerker, er hat wunderschöne Holzmöbel getischlert, Kinderspielplätze gebaut- als Akademielehrer war er einer der ersten, der in die sogenannte Copy-art einführte - er ist Schriftsteller, der über Kunst und Leben ebenso spannend und amüsant wie nachdenklich berichtet.
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Vor allem aber ist er Bildhauer, Holzschneider, Zeichner und Maler. Eigensinnig, weltoffen, kenntnisreich was die Kunst betrifft, erfahren und zugleich jugendlich unbekümmert – und, wen wundert es: schubladen resistent.
Nur seine künstlerische Produktion ist mengenmäßig, formal und inhaltlich noch vielfältiger als sein Leben. In seinem Studioarchiv stapeln sich großformatige Bilder und Farbholzschnitte, Zeichnungen, große und kleine Skulpturen aus Holz, Stein, Eisen oder Wellpappe, Künstlerbücher....
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Da sind die Zeichen, die in vielfältiger Weise auf seinen Bildern erscheinen. Pfeile, Kreuze, Kreise, lebendige Linien. Für mich nicht die Chiffren versteckter Botschaften sondern künstlerische Elementarteilchen. Sie geben den Bildern Struktur und Gewicht. Oft winzig, beherrschen sie doch das Ganze. Sie sind – wo auch immer sie auftauchen , als Detail oder das ganze Bild umschließend, so etwas wie die Keimzelle des Bildgedankens, aus der sich Form und Farbe erst ergeben, bedingen oder mit denen diese akzentuiert werden.
Auffallend für mich die stilistischen Freiheiten, die er sich für seine Arbeiten nimmt. Es scheint kaum etwas zu geben, was ihm nicht zu Kunst werden kann. – auf seinen Materialbildern ist diese Verwertungslust zu beobachten. formstrenge Skulpturen stehen neben bizarren Gebilden; geradezu anarchistisch-wilde Malerei neben bedeutungsträchtiger, ironischer Objekt-kunst - glühend leuchtende Holzschnitte neben schattenhaften schwarz-weißen- Zeichnungen.
Bei Werner Götz gibt es keine Perioden, keinen Jugend- oder Altersstil. Skrupel was sein Material betrifft kennt er nicht – stattdessen Neugier und Experimentierfreude. Er mischt Sand, Asche Teer unter seine Farben, malt auf Holz, Wellpappe Sackleinen und ausgedienten Steppdecken.
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Werner Götz ist damit etwas gelungen, was vielen seiner Kollegen verloren gegangen ist: er hat das Schöne oder die Schönheit – ganz wie Sie wollen - in der Abstrakten Malerei zum Ausdruck gebracht. Was da so leicht und spielerisch daherkommt, verrät ein vehement handwerkliches Verständnis des Kunstmachens. Naturschönheit ist beliebig – Kunstschönheit ist Komposition – im wahrsten Wortsinn: Artistik.
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Für Künstler wie Werner Götz, die sich bemühen, diesem Inneren Ausdruck zu verschaffen, ist Kunst nicht etwas Geisteswissenschaftliches, keine Botschaft an die Welt, sondern etwas Privates, geradezu etwas Körperliches: Wie ein Fingerabdruck.

2006
Norbert F. Krause
Norbert Fritz Krause: Götz & Genien
Auszug aus der Rede zur Vernissage der Ausstellung PAPIERS COLLÉS
Kunstkammer Gartow. April 2008

Ich freue mich über die Gelegenheit, anlässlich dieser Ausstellung von Werner Götz ein paar Worte zu sagen. Denn ich habe so einen ziemlich genau passenden Anlass, Ihnen einen Gedankengang vorzuschlagen, bei dem wir mit Wörtern und Begriffen wie Genius, Genien und genial etwas Reales, also Erfahrbares bezeichnen können.
Haben Sie keine Sorge, es wird ein Gedankenspaziergang.

Genien sind eine Intensität, zu der kein Mensch „ich“ sagen kann. Zumindest nicht, solange er weiß, wovon er spricht. Kein Künstler, dessen Namen wir noch kennen, hat sich selbst als Genius bezeichnet. Nicht einmal Friedrich Nietzsche..
Werner Götz würde sich nie als Genie bezeichnen. Er ist nicht nur zu dezent dazu. Dazu ist er auch zu eitel. Das Charakterkostüm Genie wäre ihm viel zu eng. Götz ist Götz. Und das ist hier an den Wänden sichtbar und gut so.
Genien und ihr geniales Erscheinen sind auch jeweils, was sie sind. Nicht nur beim Kunstschaffen, auch alltäglich
Im Gebrauch der Sprache ist das unübersehbar. Besonders in tatsächlichen Gesprächssituationen. Natürlich: Wortschatz, Informiertheit, Augenhöhe – all das ist wichtig für ein Gespräch. Ob eine Begegnung aber gelingt, ob sie Erfahrung wird – dazu braucht es ja nicht mehr Information und mehr vorsätzliche Interessen, sondern vor allem Inspiration. Und die kommt aus einer weiteren Dimension. Sogar der in Deutschland rauf- und runtergedroschene Satz vom „zur rechten Zeit am rechten Ort sein“ legt Zeugnis von dieser Sphäre des Genialen ab.(.....)
Maria Callas formulierte diese Tatsache deutlicher: „Although I give the utmost attention to the words – for truth I look in the music.“
Götz singt nicht. Seine Kunstsprachen realisiert er in fass- und anschaubaren Medien. Malerei, Graphisches, Holz- und Steinskulpturen.
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Sprache und Sprachen – das muss man nicht von weit herholen, wenn man über die Kunst von Werner Götz spricht. Das ist immer schon da. Seine Kunst bewegt sich in unterschiedlichen Formsprachen. Angesichts der hier ausgestellten Collagen werden Sie sich gelegentlich in einem Satzbau der „klassischen“ Moderne wiederentdecken und/oder in dem einen oder anderen bildnerischen Nebensatz von Wassilly Kandinsky beispielsweise.
Denn Werner Götz ist bildnerisch polyglott. Er bewegt sich beim Formfinden auch mal in der Ausdruckssprache australischer Ureinwohner, mal im Westafrikanischen, mal durch die traditionelle Bildlogik Ostasiens. Und von der Westküste Kanadas quer durch Sibirien bis nach Mittelasien, wo man mit arabischen Zeichen schreibt. In dieser Tradition ist Schreiben und Malen ja oft die gleiche Kunst.
Dennoch bringt Werner Götz nie ein Plagiat an die Öffentlichkeit. Und er zitiert nie.
Werner Götz ist nicht postmodern. Er manifestiert eine Spielart der Moderne des 21. Jahrhunderts. Er bewegt sich in den Formensprachen der global siedelnden und umherschweifenden Menschheit. Er maßt sich nicht an, eine Sprache zu ergründen.
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Götz bewegt sich zwar souverän aber nicht beherrschend durch die unterschiedlichen Formensprachen. Er will ja nicht propagieren, er will nur zum Ausdruck bringen.
Meist nicht einmal etwas.
Das ist immer eine tastende und suchende und behutsame Aktivität. Ähnlich wie die realexistierenden Genien des 21. Jahrhunderts ihre Weise, ihren Duft und ihre subtile Ironie in unsere Gespräche und Diskurse bringen. (....)
So schafft Götz Kunst und vermeidet seit Jahrzehnten beharrlich, nur Gedankensplitter in Sülze zu gießen und scheibchenweise her- und vorzuzeigen
Weil Kunst anders geht.
In einem Text mit Hintergrundinformationen zu der Werkgruppe von Collagen, die er Verworfene Bilder nennt, schildert Werner Götz z. B. wie er verworfene Holzschnitte zerreißt und zum Verbrennen in den Kamin schichtet. Und als er schon das Zündholz zückt, schimmert ihm aus einzelnen Fetzen plötzlich die Energie der vergangenen Arbeiten sichtbar entgegen. „Ohne recht zu wissen, warum ich es tat“, fährt er fort, „holte ich die Papierfetzen wieder aus dem Kamin.“
Der Genius war in dem Augenblick offenbar geistesgegenwärtiger als der Künstler. Aber Werner Götz war auch da.
In angemessener Bescheidenheit. Und ohne frivoles Erfolgskalkül.
So geht Kunst.
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Der Bequemlichkeit des Marktes hat Werner Götz sich seit Beginn seiner Karriere verweigert. Mag sein aus persönlichem Anstand und künstlerischer Redlichkeit. Oder aus dem gemeinen Trieb zu persönlicher Unabhängigkeit und Integrität. Oder – warum nicht? – aus autonomer Bequemlichkeit.
Ich bezweifle, dass Werner Götz solche Tugenden häufig im Munde führt. Und doch hat er diese Haltung ein Künstlerleben lang durchgehalten. Das ist nicht gerade üblich auf der Szene. (....)
Götz schafft und tut und sagt nie, was man von ihm erwartet. Das ist die Freiheit der Kunst und der trotzigen Kinder. Von dieser Freiheit hat er lebenslang exzessiven Gebrauch gemacht. Vielleicht liegt es an der Herkunft. Götz ist in Mainfranken geboren und aufgewachsen, wo die Kirchen und Residenzen strotzen von barock gemalter Pracht, von Welt- und Himmelsräumen, von Apotheosen leicht vergessbarer Herrscher und Heiliger. Aber die Räume sind durchschwebt von Genien, die zu der Zeit als nackte Kinder gemalt wurden.
Am populärsten in dieser genialen Kinderschar schien mir immer ein nackter Knabe mit Pfeil und Bogen zu sein. Cupido, auch Eros und Amor genannt. Der will nichts erjagen.
Der will nur spielen.
Aber der Kunsttradition war dieser Knabe als Zeichen wichtig. Als Zeichen dafür, dass das Geniale auch wie ein Verhängnis wirken kann.
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2008